Freitag, 16. April 2021; 07:16
NLA

Volley Näfels‘ im Wellental der Gefühle

Von: Köbi Hefti

Mit dem Out im Viertelfinale in den Play-offs und im Cup verfehlte Biogas Volley seine Ziele. Es war eine Saison zwischen Bangen, Hoffen und Enttäuschung.


Die abgelaufene Meisterschaft war für Volley Näfels ein Wellental der Gefühle, oder wie es der scheidende Trainer Oskar Kaczmarczyk sagt: „Die Saison war wie das Drehbuch eines Dramas.“ Es war eine Geschichte in drei Akten. Der erste Akt war ein wahrhaftiges Drama. Noch bevor in Näfels das Training losging, traf die erste Hiobsbotschaft aus Finnland ein. Diagonalangreifer Antti Ropponen verletzte sich schwer am Fuss und musste für die Saison Forfait erklären. Zwei weitere Dämpfer folgten kurz vor Meisterschaftsstart. Aussenangreifer Miro Määttenen verletzte sich an der Schulter derart gravierend, dass auch er für den Rest der Saison passen musste, dazu zog sich der zweite Diagonalangreifer Patryk Napiorkowski eine Fussverletzung zu, die ihn Monate ausser Gefecht setzte. Mit Antti Ronkainen und Fabian Martinez wurden Spieler gefunden, die die Lücken füllten sollten. Das junge Team rund um Captain Kai Aebli kämpfte zu Beginn der Qualifikation wacker und verkaufte sich trotz aller Widerwärtigkeiten teuer, verlor viele Sätze gegen die Favoriten mit dem Minimalrückstand.

Auf dem Weg nach oben
Im November folgte der zweite Akt, ein Akt der Hoffnung und Freude. Teammanager Gygli sagt dazu: „Trotz des grossen Verletzungspechs und kurzer Vorbereitungszeit hat sich die Mannschaft gefunden und ab November ein gutes, den Spielern entsprechendes Niveau gespielt. Allerdings hat man auch gesehen, dass wir auf wichtigen Positionen zu wenig Konstanz hatten um gegen die absoluten Top Teams zu bestehen.“ Ein erster Höhepunkt war der Sieg gegen Schönenwerd, notabene der erste Erfolg seit fast drei Jahren gegen diesen Gegner. Mitte Dezember folgte das nächste Highlight, als der Meister LUC in drei Sätzen abgefertigt wurde. Der Trainer sprach von einer „sehr optimistischen Leistung vor Weihnachten.“ Das Ziel des Trainers, aus den Spielern bessere Spieler zu machen, wurde in dieser Zeit offensichtlich. Captain Kai Aebli erwähnt Beispiele dieser Entwicklung, so etwa David Aebli, welcher in seiner ersten NLA Saison in der Annahme sehr stabil wurde und grosse Fortschritte beim Blocken und Angreifen machte. Auch bei den Libero Andrin Flück und Lorenz Küng sah der Captain technisch starke Verbesserungen. Ebenso angetan ist der Captain von Nico Süess‘ Entwicklung. Er schildert: „Nico hat meiner Meinung nach besonders mental einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Er wurde diese Saison erstmals zu einem Zugpferd, das Verantwortung für die Mannschaft übernahm. Weiter wurde Nico ein wichtiger Stützpfeiler in der Annahme. Während er letzte Saison oft das Ziel der Gegner war, wurde er in dieser Saison eher vermieden.“ Der Captain selber stuft seine Entwicklung ebenfalls positiv ein und sagt: „Auch ich konnte viel profitieren und habe viel mit Kaczmarczyk an meiner Passtechnik gefeilt. Meiner Meinung nach konnte ich diese Saison auch viele Fortschritte machen, doch der Prozess wurde leider durch meinen Rücken etwas gebremst oder gar gestoppt.

Rare Lichtblicke
Diese positiven Aspekte machten Hoffnung. Dank der Fortschritte und kämpferischen Qualitäten wollte man sich in der Qualifikation in der Spitzengruppe behaupten.
Dann aber folgten der Jahreswechsel und der dritte Akt dieses Dramas in Form einer sportlichen Tragödie. Was sich vorher derart positiv entwickelte, kam ins Stocken. Im Jahr 2021 schlitterte Näfels in eine Krise. Captain Kai Aebli sieht dafür verschiedene Faktoren: „Vor Weihnachten spielten wir wöchentlich, hatten einen super Rhythmus. Im Januar spielten wir dann nur noch alle zwei Wochen und so fiel es uns schwer den gleichen Rhythmus zu finden. Die Niederlage im Cup gegen Lausanne hat uns mental das Genick gebrochen. In der Playoff-Serie war dann auch noch etwas Pech dabei.“ Das Ausscheiden in den Viertelfinals in Meisterschaft und Cup war die Folge und auch für den Trainer eine Enttäuschung. Trotzdem zieht er insgesamt eine positive Bilanz und erklärt: „Ich bin wirklich überzeugt und stolz darauf, dass mein Team und meine Spieler in diesen zwei Jahren als Spieler und als Menschen enorme Fortschritte gemacht haben. Wir haben die ganze Saison über gelitten und gekämpft, soviel wir konnten um unsere Ziele zu erreichen. Aber es war nicht genug. Meine Spieler zeigten bis zum Ende Charakter auf dem Feld und wir kämpften bis zum letzten Ball. Doch manchmal reicht dies nicht aus um erfolgreich zu sein.“

Stagnation, gar Rückschritt im Spiel machten sich breit. Lichtblicke wie der Sieg in Lausanne zum Play-off Auftakt oder das Aufrappeln gegen Luzern in den Play-outs waren rar. Noch wenige Woche zuvor sagte Präsident Landolt über sein Team, dass es Tage gebe, an denen diese Mannschaft viel Freude mache und Tage, an denen sie den Kopf an der Wand anschlagen würde. Im neuen Jahr aber gab’s kaum noch Anlass zur Freude. Entsprechend fällt der Präsident sein Urteil: „Dass eine junge Mannschaft auch hartes Brot essen muss, macht vor allem dann Sinn, wenn daraus Erfolgshunger entsteht. Diesen Hunger habe ich aber seit Januar ebenso vermisst wie eine steigende Lernkurve.“ Ähnlich stuft auch Teammanager Ruedi Gygli das Geschehene ein: „Oskar Kaczmarczyk
wurde mit dem Ziel engagiert junge Spieler zu entwickeln. Leider hat dies nicht ganz meinen Hoffnungen und Erwartungen entsprochen. Dafür gibt’s aber auch einige Erklärungen, wie Kai Aebli mit seinen Rückenproblemen, Lorenz Küng nach seinem Positionswechsel oder Aron Murati, der nicht akzeptiert wurde.“ Dazu wurde immer klarer, dass der Trainer kaum noch auf Spieler wie Fabian Martinez und Ernest Plizga setzte.

Ratlosigkeit am Spielfeldrand
In dieser Phase wusste auch Oskar Kaczmarczyk als Coach nicht zu überzeugen. Es gelang nicht mehr, die guten Trainings ins Spiel zu transferieren. Ruedi Gygli dazu: „Tatsächlich fragte man sich manchmal, wie der Trainer das Coaching anging. In den Top-Ligen besteht ein Team aus zwölf gleichwertigen Spielern. Auf unserem Level sollte man auf das Momentum achten und die Tagesform der einzelnen Spieler optimal einsetzen. Es fehlte auch ein bisschen das Reinfühlen in die Spieler, was wahrscheinlich daher kommt, dass der Coach nie selber Spieler war. Man hätte hie und da andere Wechsel vollziehen können. Aber dies muss der Coach entscheiden und verantworten, sollte es aber auch begründen können.“

Dann folgte die Überraschung: Kaczmarczyk warf das Handtuch, wollte und konnte nicht mehr. Über die genauen Gründe will der Pole nicht sprechen.
Das Team sei schockiert gewesen, als ihr Trainer es informierte, berichtet Captain Kai Aebli und ergänzt: „Niemand hat damit gerechnet.“ Auch Präsident Landolt erging es ähnlich und erklärt: „Ich werde den Eindruck einer eher emotionalen Kurzschlusshandlung nicht los. Möglicherweise ist dabei die gleiche Ratlosigkeit zum Ausdruck gekommen, die seit einigen Wochen auch am Spielfeldrand zu beobachten war.“ Trotz Abgangs des Projektleiter Kaczmarczyk hält Näfels am eingeschlagenen Weg fest wie Landolt erläutert: „Unsere Strategie bleibt unverändert. Wir wollen weiterhin auch auf eigene Kräfte setzen und gleichzeitig wieder zurück in die Top 4 der Liga. Ein neuer Trainer muss diese Strategie mittragen.“ Mit Jan Vaclavik aus Tschechien konnte man dafür bereits den Wunschkandidaten engagieren.

Neben der sportlichen Enttäuschung war es aber auch eine Saison,
welche von Corona massgeblich geprägt wurde. Zwar war Näfels das einzige Herrenteam, welches nie in Quarantäne musste. Doch der Moduswechsel in den Play-offs zum Europacup-Modus nach Coronafällen bei LUC und die fehlende Spielpraxis waren für Näfels letztlich ein entscheidender Nachteil. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Pandemie auf den Verein hatte, sagte Präsident Landolt: „Unser Sport lebt von Emotionen, die wir mit unzähligen Volleyballbegeisterten in der Region teilen. Diese Momente haben wir alle vermisst. Und natürlich fehlen uns aufgrund der «Geisterspiele» und zahlreicher  weiterer abgesagter Anlässe auch wichtige Einnahmen. Die Planungsunsicherheit dürfte uns möglicherweise noch länger begleiten als die Pandemie selbst.“ 

Das war die Saison 2020/21: Viele eindrückliche Momente, ein Steigerungslauf bis Ende 2020, dann aber kam der frostige Januar. Am Ende landete Biogas Volley Näfels auf dem 6. Rang

Zuspieler: Der Rückkehrer Marco Gygli kam viel öfter zum Einsatz als er selber erwartete, da Kai Aeblis mit Rückenschmerzen kämpfte. Captain Aebli litt zeitweise unter grossen Schmerzen, was ihn daran hinderte, seine Qualitäten in der zweiten Saisonhälfte auszuspielen

Libero: Andrin Flück kam aus der NLB und fasste in der NLA sofort Fuss, während der nominelle Libero #1 zuerst aus Personalnot wie letztes Jahr als Annahme/Aussen antreten musste und in der Folge nur selten als Libero zum Einsatz kam

Mittelblocker: Henrik Porkka brauchte eine gewisse Angewöhnungszeit, steigerte sich dann von Spiel zu Spiel, während Damian Hudzik gewohnt solid und effizient spielte

Annahme/Aussen: Ernest Plizga erlebte eine Saison mit Höhen und Tiefen und kam je länger die Saison dauerte, umso weniger zum Einsatz. Antti Ronkainen, der Last Minute Zuzug aus Finnland, schlug ein wie eine Bombe und war Näfels Topscorer

Vom Junior zum Leader: Nico Süess machte grosse Fortschritte. Captain Kai Aebli sagte über ihn, dass Nico in dieser Saison zu einem Zugpferd wurde, das Verantwortung für die Mannschaft übernahm und deshalb eine Teamstütze war

Diagonalangreifer: Rückkehrer Fabian Martinez stiess erst nach Saisonbeginn und zweiwöchiger Quarantäne zum Team, fügte sich aber rasch ins Gefüge ein und bewies, dass er es immer noch kann. Patryk Napiorkowski kam erst 2021 nach auskurierter Fussverletzung zum Zug und zeigte ganz am Ende der Saison das, was man von ihm gerne immer gesehen hätte

Zwei Junioren: David Aebli schaffte den Sprung ins NLA Team und verbesserte sich in allen Belangen. Er darf zurecht als Hoffnungsträger eingestuft werden. Aron Murati sollte der dritte Mann in der Mitte sein, hatte aber einen schweren Stand

Freudige Momente: Es gab in dieser Saison einige Spiele und Siege, die viel Freude machten – nicht nur wegen des Erfolges, sondern vor allem auch der Art und Weise, wie die Aebli-Truppe auftrat.

Das Trainergespann: Oskar Kaczmarczyk machte in seinen zwei Jahren in Näfels aus guten Spielern bessere Spieler. Als Coach jedoch kämpfte er mit den beschränkten Ressourcen und tat sich entsprechend schwer, besonders wenn es nicht so rund lief. Mit Błażej Kuśmierz stand dem Näfelser Cheftrainer erstmals ein vollamtlicher Assistent zur Seite.