«Sich als Profi in Argentinien den Lebensunterhalt zu verdienen ist fast nicht mehr möglich»
Mathias Corzo, der schlagkräftige Näfelser Diagonalangreifer, findet die Glarner Seen und Berge faszinierend, im Gegensatz zu Kälte und Schnee.
Wenn heute Abend um 19:00 Uhr Volley Näfels Leader Amriswil in der Lintharena empfängt, ist dieses Spiel nicht nur das Ostschweizer-Derby, sondern auch ein argentinisches Aufeinandertreffen. Näfels wie Amriswil setzen mit Ignacio Verdi und Juan Serramalera auf Coaches aus Argentinien, dazu stammen auch je zwei Spieler aus dem Land der Gauchos. Bei Amriswil sind das Captain Facundo Imhoff und der zweite Zuspieler Agustin Sorgue, bei Näfels der Routinier Mariano Giustiniano und Mathias Corzo, der 25-jährige und «nur» 1.91 Meter grosse Diagonalangreifer. Doch das Publikum hat Corzo als schlagkräftigen und variantenreichen Näfelser Topscorer kennengelernt. Corzo stammt aus San Juan, einer Kleinstadt im Westen des Landes nahe der Anden. Als er acht Jahre alt war, zügelte Familie Corzo, zu der noch eine sechs Jahre jüngere Tochter zählt, nach Córdoba, der zweitgrössten Stadt Argentiniens, welche im geografischen Zentrums des Landes liegt und als kulturelle und wirtschaftliche Metropole gilt.
Schon als Teenager Volleyball-Profi
Corzo mag an seinem Heimatland die Kultur, die Vielfalt der Orte und die gute Stimmung der Menschen mit ihrer herzlichen Art. «Die Kultur ist völlig anders, die Leute sind lustiger und verrückter als hier, wo alle sehr höflich, aber nicht so warmherzig sind.» Asado, das argentinische Grillfest, mag er nicht nur aus kulinarischen Gründen sehr, sondern «weil man mit der Familie oder Freunden zusammenkommt und schöne Momente erlebt», so Corzo.
Den Weg zum Volleyball fand der bis dahin überzeugte Fussballer mit gut zehn Jahren, motiviert von seinem Vater, der auch Volleyball spielte. Sein neuer Sport hat ihn rasch gefesselt. Noch während seiner Schulzeit wurde er für die regionale Auswahl aufgeboten und Volleyball wurde ihm immer wichtiger. Nach dem Schulabschluss, mit 19 Jahren, wurde er Profi und gehörte rasch zu den besten Angreifern der Liga. «Dieses Jahr bei Paracao war bisher meine schönste Erfahrung», sagt er mit strahlendem Gesicht.
Klöntal – aber nur im Sommer
2023 verliess er Argentinien, um in Zypern zu spielen. Er erklärt: «Ich suchte neue Erfahrungen und Herausforderungen in meinem Leben und im Volleyball. Aber auch wirtschaftliche Gründe waren ausschlaggebend, denn als Profi in Argentinien sich den Lebensunterhalt zu sichern ist nur bei den zwei, vielleicht drei Spitzenteams möglich, bei allen anderen fehlt das Geld.» Auf diese Saison wechselte er zu Näfels. Die Schweiz kannte er nur aus dem Internet und durch seinem Landsmann Manuel Balague, dem letztjährigen MVP von Lausanne UC. Mitentscheidend für den Wechsel war zudem, dass mit Trainer Verdi und Mariano Giustiniano zwei erfahrene Landsleute bei Näfels anheuerten.
Er ist glücklich mit seinem Entscheid. Ihm, der die Natur sehr mag, gefällt es im Glarnerland. «Ich finde die Berge und Seen faszinierend. Es ist etwas, wovon ich nie müde werde, es zu sehen. Jeden Tag aufzuwachen und die wunderschönen Landschaften vor Augen zu haben, lässt einen gut gelaunt aufstehen. Das Klöntal – aber nur im Sommer - ist wunderbar.» Damit lässt er durchblicken, was er hier nicht mag: Kälte und Schnee. Er sagt und dabei schüttelt es ihn, wie wenn er frösteln würde: «Es fällt mir schwer, mich an den Schnee und die Tatsache zu gewöhnen, dass es früh dunkel wird. Auch in Argentinien gibt es mal Minustemperaturen, aber hier ist es viel kälter. Freiwillig gehe ich nicht nach draussen, bleibe lieber in der warmen Wohnung. Doch die wunderbare Umgebung hilft, diese Kälte gut zu ertragen. Bei Temperaturen von dreissig Grad und mehr fühle ich mich wohl.»
Welten zwischen den Infrastrukturen
Ein knappes halbes wohnt Corzo hier und sein Bild über die Schweiz wurde klarer: «Das Land ist wunderschön, sicher und wirtschaftlich sehr stark. Alles funktioniert perfekt - ein gutes Land zum Leben und Erkunden.» In seinem Heimatland sei vieles im Argen, sagt er und nennt dieses Beispiel: «In den Trainingshallen hat es Löcher im Boden, die Wände bröckeln und das Dach ist nicht dicht, so dass sich Wasserlachen auf dem Boden bilden.» Dass diese Infrastruktur hierzulande perfekt ist, schätzt er sehr, ebenso die Unterstützung durch den Verein und die Anhängerschaft. «Wie uns die Fans im Europacupsiel gegen Komárno im Tiebreak unterstützten, war unglaublich, das hat uns enorm viel Energie verliehen», so der Latino.
Nichts tun und glücklich sein
Glücklichsein, sich wohlzufühlen und ein gutes Umfeld zu haben sind für Mathias Corzo zentrale Themen, die ihm erlauben, sein Bestes zu geben. Zu seinen Werten sagt er: «Ich versuche ein guter Mensch und Begleiter zu sein und anderen zu helfen, so wie es mir meine Eltern beigebracht haben, seit ich klein war.» Schlecht zu trainieren und zu spielen, stört ihn sehr: «Danach schlafe ich sogar schlecht, denn ich möchte immer mein Bestes geben.» Störend empfindet er auch, wenn jemand seinen Freiraum nicht respektiert oder ihn zu etwas nötigt, was er nicht will. «Das passiert aber nur daheim. In Europa habe ich das bisher nie erlebt», so Corzo. Selbst charakterisiert er sich als ruhig und etwas schüchtern. Er bringe jedoch gerne Leute zum Lachen und möge Spass. Er geniesst aber auch die Ruhe, daheim beim Nichtstun, Spielen am Computer, Filme schauen oder Zeichnen. Dazu sind ihm der Austausch mit Familie und Freunden sehr wichtig.
Angesprochen auf seine künftigen Pläne sagt er: «Ich versuche von Tag zu Tag zu leben und die Dinge gut zu machen, damit ich später neue Möglichkeiten und Gelegenheiten habe.»