Freitag, 29. Oktober 2021; 07:10
NLA

Marco Gygli bringt Obst, Gemüse und Volleyball unter einen Hut

Von: Köbi Hefti

Marco Gygli ist bei Biogas Volley Näfels derzeit erste Wahl als Zuspieler trotz oder vielleicht gerade wegen seines Jobs mit aussergewöhnlichem Rhythmus.


Im Frühjahr 2017 verabschiedete sich Marco Gygli vom Spitzenvolleyball und zog zusammen mit seiner Frau Tanja an den Persischen Golf um nach seiner Ausbildung (Bachelor in Tourismus und Sport) das Gelernte anzuwenden. Marco Gygli erinnert sich: «Wir packten die Koffer, gaben hier alles auf und verreisten ohne eine Stelle zu haben. Während der ersten zwei Monate genossen wir noch den Honeymoon, da wir kurz vor der Abreise geheiratet hatten. Die Suche nach einer Arbeit gestaltete sich recht schwierig, doch wir fanden eine Superstelle bei Sustainable City, einem Nachhaltigkeitsprojekt der Stadt Dubai. Als Sport-Koordinator konnte ich alle Sportanlagen überwachen.» Obwohl dieses Projekt eher westlich orientiert war, erhielt Gygli einen guten Einblick in die arabische Welt. Das Ehepaar Gygli genoss das Wetter und die viele Freizeit, trieb viel Sport. «Es war eine andere Welt und genau das, was wir uns vorgestellt hatten», so Gygli rückblickend.

Übergangslösung mit Vorzügen
Vor zweieinhalb Jahren kehrten Gyglis wieder heim. Erneut ging die Jobsuche los. Ehefrau Tanja fand eine Stelle bei Visit Glarnerland. Marco Gygli suchte einen Job im Bereich des Sports. Die Suche blieb erfolglos, obwohl er bei einigen der raren Stellenangebote in der engeren Auswahl stand. Belastet hat ihn dies nicht, da er als Übergangslösung im Familienunternehmen Ernst Gygli AG bei seinem Schwager arbeiten konnte. Kurz darauf legte die Pandemie die Welt lahm. Jobs, welche Gygli suchte, gab es nicht mehr und so ist er immer noch “Gemüse- und Obsthändler“. «Zu Beginn dachte ich, dass eine Arbeit in unserem Familienbetrieb nichts für mich sei, doch jetzt macht mir diese Arbeit richtig Freude. Doch ich halte die Augen nach meinem Wunschjob weiterhin offen», sagt er zu seiner aktuellen Lage. Das alles passe auch gut mit seinem Engagement im Volleyball zusammen erklärt er und ergänzt: «Ich stehe jeden Morgen um 00:30 auf, denn die Kunden wollen um sechs Uhr frisches Gemüse und Obst in ihren Läden haben. Der Schlafrhythmus ist ein ganz anderer, man schläft zwei oder dreimal im Tag wenige Stunden. Daran gewöhnt man sich - mein Vater machte dies während dreissig Jahren.» Mittlerweile ist Marco Gygli die rechte Hand von Geschäftsführer Alain Pavin und erledigt als Allrounder alles, was gerade zu tun ist wie den Einkauf in Zürich mitten in der Nacht, die Auslieferung und Büroarbeiten. Vor Kurzem hat er den Betrieb mit der ISO-Zertifizierung für die Lebensmittelsicherheit auf den neuesten Stand gebracht.

Nachtläufer
Mit seiner Rückkehr aus Asien packte ihn die Leidenschaft des Volleyballs wieder. Zuerst amtete er als Assistent des Trainers. Während der Saison musste er sogar als Passeur in der ersten Mannschaft einspringen, weil die anderen Zuspieler verletzt oder gesperrt waren. Motiviert von seiner Frau entschied er sich zur Rückkehr ins NLA-Team als zweiter Zuspieler vor der letzten Saison. Er sah seine Rolle als Mentor und Rückhalt von Kai Aebli, dem jungen und hoffnungsvollen Zuspieler aus dem eigenen Nachwuchs. Da bei Aebli aber Schwierigkeiten mit seinem Rücken auftauchten, stand Gygli bereits letzte Saison viel öfter auf dem Feld als er sich das vorgestellt hatte. Zu Beginn dieser Saison ist er gar zum Stamm-Passeur aufgerückt, weil Aeblis Rücken erneut nicht mitmacht. Gygli, der mittlerweile 34-jährige bestreitet das gleiche Programm wie alle anderen Teamkollegen und sagt: «Wenn ich etwas mache, tue ich dies mit voller Leidenschaft und aus hundertprozentiger Überzeugung, obwohl es mit dem Arbeiten in der Nacht recht streng ist.», Die grosse Herausforderung sei die Freizeit zu balancieren, sagt er und ergänzt: «In Dubai hatten wir sehr viel gemeinsame Freizeit. Jetzt sehe ich meine Frau nur ganz wenige Stunden pro Tag.». Auf der anderen Seite habe sein Monsterprogramm auch Vorteile. Er erklärt: «Ich bin nach einem Match und dem Training so müde, dass ich sofort einschlafe. Das hat den Vorteil, dass ich mir nach einer Niederlage keine Gedanken mache, die mir den Schlaf rauben. Ich verarbeite das Passierte erst nachher, mitten in der Nacht während der Arbeit und kann dadurch schneller abschalten und positiv vorwärts schauen statt Trübsal zu blasen.» Dazu erwähnt er einen weiteren Vorteil seines Frühaufstehens: «Da ich derart viel auf den Beinen bin, kommen physische Müdigkeit und Muskelkater kaum auf. Morgens, wenn ich mit den Teamkollegen ins Krafttraining gehe, habe ich bereits etwa zwölf Kilometer in den Beinen.»

Physis verdrängt Finesse
Auf die Frage, was im Volleyball heute anders sei als vor seinem Rücktritt, sagt er, dass es für ihn selber schwierig gewesen sei den Rhythmus und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Zusammenspiel mit den Mitspielern zu finden. Doch mit jeder Ballberührung wachse das Selbstvertrauen. Zum Volleyball allgemein sagt er: «Ich habe den Eindruck, dass es heute physischer ist. Es gibt einige Teams, die grosse, sprunggewaltige und kräftige Spieler in ihren Reihen haben. Früher war es eher so, dass viele Spieler mit technischen Finessen beeindruckten, was heute seltener ist und auch auf unser Team zutrifft.»



Qualifikation 6. Runde:

TSV Jona Volleyball - Biogas Volley Näfels

Grünfeld, Jona, Samstag, 30. Oktober 2021, 18:00 h 



Ergebnisse 2020/21

Jona-Näfels: 1:3
Näfels-Jona: 2:3
Den Final um Rang 5 ( Best of 3) gewann Jona mit 2:0

Marco Gygli zum Derby gegen Jona: Das Spiel gegen Jona wird für uns wie ein Revanche Spiel. Letzte Saison beendeten die St. Galler die Meisterschaft vor uns in der Tabelle und holten sogar zwei Titel. Dazu haben wir Spieler in unseren Reihen, welche letztes Jahr bei Jona spielten und Teil dieses Erfolges waren. Sie wollen nun zeigen, dass der Wechsel für sie das richtige war. Wir freuen uns auf ein Klasse-Derby!

Steckbrief:

Es war einmal: Marco Gygli vor der Saison 2008/09

Der vorübergehende Abschied: Ende Saison 2016/17 und mit der Silbermedaille um den Hals verabschiedet sich Marco Gygli vom Spitzenvolleyball, um am Persischen Golf zu arbeiten

Nachhaltigkeit: In „The Sustainable City“ in Dubai war Marco für die Sportanlagen zuständig

Überraschung: Marco erzählte, dass es in seiner Wahlheimat immer schön und warm war, auf diesem Bild sieht es etwas anders aus. Es zeigt aber auch, dass er und seine Frau einen guten Einblick in die arabische Welt bekommen konnten.

Schlüsselfigur: Das Näfelser Urgestein übernimmt bei Biogas Volley Näfels in dieser Saison erneut ein Schlüsselrolle, nachdem Kai Aebli wegen seiner Rückprobleme bisher kaum richtig trainieren konnte

Vertrauen und Selbstvertrauen: Marco sagt, dass nach dem dreijährigen Time-out vom NLA-Volleyball jede Ballberühung helfe, um sich besser zu fühlen

Persönliches Ziel: Nochmals etwas in die Höhe stemmen