Freitag, 14. Januar 2022; 06:15
NLA

Ilya Goldrins gemischte Gefühle

Von: Köbi Hefti

Der Annahmespezialisten Ilya Goldrin will in seiner ersten Saison ausserhalb seines Heimatlandes Israel eine gute Saison erleben. Vieles erfüllt sich wie gewünscht, nicht aber der Erfolg mit Biogas Volley Näfels.


Seit fünf Monaten haust der Israeli Ilya Goldrin in Näfels. Er ist sehr glücklich, dass er sich fürs Glarnerland entschied und schwärmt: «Immer wieder sage ich mir ‘Wow, ich bin hier‘. Ich verbringe hier eine sehr gute Zeit, geniesse sie sehr.» Er mag die Atmosphäre im Glarnerland. Die Berge beeindrucken ihn auch heute noch täglich. «Ich wache am Morgen auf und sehe die Berge. Im Krafttraining im “well come Fit“ dasselbe – einfach unglaublich und viel interessanter als in Tel Aviv, wo alles flach ist», erzählt er. Ebenso positiv erlebt er die Menschen mit ihrer Freundlichkeit. Sein Glück fasst er kurz und bündig zusammen: «Ich bin sehr dankbar, dass Coach Vaclavik und Teammanager Bedrac sich für mich entschieden.»

Weniger positiv ist die Situation, in welcher er sich mit seinem Verein Biogas Volley Näfels befindet. Die Play-offs sind nach schwachen Leistungen in weite Ferne gerückt und damit auch das Ziel um Medaillen kämpfen zu können. Goldrin kommentiert diese ungemütliche Lage: «Ja, ich bin nach der Niederlage gegen Lausanne in dem für uns so wichtigen Spiel traurig. Uns fehlten einige bedeutende Spieler, weil sie verletzt oder krank waren. Das einzig Positive war, dass unsere jungen Spieler zum Einsatz kamen und Erfahrungen sammeln konnten. Ich denke noch immer, dass wir eine Chance haben, aber sie ist sehr gering.»

Der hilfreiche Tipp eines ehemaligen Näfelsers
Der 26-Jährige Goldrin spielt erstmals ausserhalb Israels. Als ein Angebot aus der Schweiz eintraf, hätte er nicht lange überlegen müssen erklärt er und ergänzt: «Die Schweiz ist für mich das Land mit einem der höchsten Ratings. Das Angebot aus der Schweiz stimmte mich überglücklich. Ich entschied mich sehr schnell, obwohl viele Offerten aus anderen Ländern vorlagen.» Goldrin tauschte sich über sein Engagement in Näfels auch mit seinem Landsmann Jacky Gaft aus, der in der Saison 2008/09 in Näfels spielte. Sie hätten über vieles gesprochen, nur nicht über Volleyball erzählt und ergänzt, was ihm Gaft sagte: «Du gehst an einen guten Ort und es wird Dir gefallen – und er hatte damit völlig recht.» Für einen Tipp seines Landsmannes ist Goldrin besonders dankbar. «Jacky erzählte mir, wie in der Schweiz Abfall und Recycling funktionieren. Während in Israel wirklich alles, egal ob Papier, Glas, Metall, Speiseresten etc. in einem Sack landet, wird hier fein säuberlich getrennt. Ohne dieses Wissen wäre ich wohl in manches Fettnäpfchen getreten», erzählt er mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Entscheidende Sekunden als Faszination
Motiviert von seinem Vater, dem Sportlehrer und Volley-Coach, spielte Goldrin schon als kleiner Junge Volleyball – neben Boxen, Tennis, Fussball, Basketball Tischtennis und vielem mehr. Doch bald zeichnete sich Volleyball als sein Sport ab. Mit zwölf Jahren spielte er bereits mit 16-18-Jährigen. Weitere drei Jahre später wurde er ins israelische Sportinternat aufgenommen, einer Mittelschule, in welcher die damals rund zweihundert hoffnungsvollsten Sporttalente des Landes vereint waren. Nach Abschluss der Schule startete er seine Profi-Laufbahn in der höchsten Liga und im Nationalteam. Zur Frage, weshalb ihn Volleyball derart fasziniere antwortet er: «Ich mag das Teamwork. Allein kannst du im Volleyball nichts erreichen. Dazu mag ich die Herausforderung, dass im Volleyball sehr schnell entschieden werden muss. Innert nur zwei, drei Sekunden muss über Annahme, Pass und Angriff alles passen, damit es einen Punkt gibt.»

Zum Volleyball in der Schweiz sagt er: «Es ist gut, aber kein Top-Level. Die Ausgeglichenheit in der Liga und der grosse Kampf um jeden Rang gefallen mir. Hier scheint es nicht so zu sein wie in Israel, wo allein das Budget über den Rang entscheidet.» Er bedauert aber, dass in diesem Jahr nur sieben Teams in der NLA spielen.

«In Frieden leben können»
Geboren ist Goldrin in Israel. Die Mutter hat ihren Ursprung in Russland und der Ukraine, sein Vater in Weissrussland und Russland. Entsprechend war Goldrins erste Sprache russisch, doch heute ist er völlig zweisprachig unterwegs. Er träume mal russisch, mal hebräisch. Ebenso hybrid ist seine Religion. «Meine Mutter ist gläubige Christin, mein Vater Jude. Ich bin irgendwie dazwischen, kann mich nicht entscheiden, bin beides, bezeichne mich aber nicht als besonders religiös.» Über die immer wieder aufkommenden Konflikte zwischen den Völkergruppen in Israel schweigt er lieber. Er meint jedoch, dass Israel ein Zweinationen-Land sein müsste, bestehend aus einem Arabischen und Israelischen Teil und meint dazu: «Wir müssen in Frieden leben können.»

Die Show der Kühe und Schafe
Goldrin fühlt sich hier bestens in der Volleyball-Familie integriert. Doch manchmal kommt bei ihm Sehnsucht auf. Er vermisst seine Familie, vor allem die vier Kinder seiner Schwester und auch Mamas Kochkünste. Er steht täglich mit seinem Zuhause in Kontakt. Er bezeichnet das Kommunizieren mit Familie, Freundin, Freunden und ehemaligen Teamkollegen aus aller Welt als sein grösstes Hobby. «Mein Telefon ist 7x24 Stunden in Betrieb», ergänzt er schmunzelnd.

Grosse Überraschungen hierzulande erlebte er bisher nur eine – beim Verhalten der Autofahrer. Er erklärt: «In Israel stoppt nie jemand freiwillig, da wird immer drauflos gefahren. Aber hier hält man an und lässt jemandem freiwillig den Vortritt.» Überhaupt findet er den Verkehr hierzulande als gering. Nur einmal sei es wie in Israel gewesen. Er erzählt: «Nichts lief mehr - es war unglaublich. Wir dachten, dass etwas passiert sei, ein Unfall oder so. Wir parkten das Auto am Strassenrand und warteten. Doch dann sahen wir den Grund für den Stau – eine Herde mit Kühen und Schafen nahm die Landstrasse in Beschlag. Für uns war das eine richtige Show.»

Goldrin findet hier alles, was er erwartet hat. Ganz leise Kritik gibt es nur beim Essen, welches ihm in Israel besser mundet, weil es schmackhafter, kräftiger sei. Im Gegensatz zu vielen anderen ausländischen Spielern sind für ihn die Preise in den Restaurants ganz normal, denn diese seien in Israel eher noch höher. Was ihn manchmal etwas herausfordert ist die Sprache. Er schätzt es sehr, wenn rund um ihn herum Englisch gesprochen wird und er den Unterhaltungen folgen kann. Wenn plötzlich auf Schweizerdeutsch gewechselt wird, empfindet er das manchmal als unangenehm. Seine wichtigsten Werte sind Ehrlichkeit und Respekt. Rücksichtlosigkeit mag er nicht. Leute, die ihn nicht respektieren, lässt er links liegen.


Qualifikation 13. Runde:

LINDAREN Volley Amriswil  - Biogas Volley Näfels

Tellenfeld Amriswil, Samstag, 15. Januar 2022, 17:00 h 

Ilya Goldrin: Annahme/Aussen aus Israel

Steckbrief

Spezialist: Ilya gilt als Annahmespezialist

Kein gesuchtes Ziel: Die Gegner kennen die Stärke von Ilya und servieren ihn nicht häufig an

Sprunggewaltig: Seine Schlaghöhe von 350 cm beeindruckt

Zuverlässig: Fast in jedem Spiel serviert er mindestens ein Ass

Leider nein: Dass es Biogas Volley Näfels zuletzt nicht lief, stimmt Ilya traurig. Die Niederlage in Lausanne setzte ihm zu

Lieblingsplatz: Oben beim Naturfreundehaus

Geniessen: Ilya gefällt es in der Schweiz. Er will die Zeit hier in allen Belangen geniessen

Der trügerische Schein: Auch wenn er in einem schönen Auto sitzt und strahlt – Autofreak ist er nicht