Freitag, 18. November 2022; 09:05
NLA

Gian-Luca Thuners Volleyball-Karriere beginnt in einer Bar

Von: Köbi Hefti

Für seine zweite Saison bei Volley Näfels hat Gian-Luca Thuner viel investiert. Viel Einsatzzeit und das Vertrauen des Trainers sind sein Lohn dafür.


Gian-Luca Thuner sagt, dass er ein sehr offener Mensch sei, der überall und immer das bestmögliche geben und sich weiterentwickeln wolle. «Wenn ich etwas erreichen will, verfolge ich dieses Ziel bis in jede Ecke.» Und dies macht er bisher im Beruf wie im Sport sehr erfolgreich. Thuner absolvierte eine KV-Lehre bei einer Krankversicherung und bildete sich weiter und war mit 21 Jahren bereits Teamleiter. Heute ist der Versicherungswirtschaftler, Teamleiter im Kundensupport bei der Vaudoise und Prüfungsexperte. Lange richtete er seinen Fokus nur auf den Beruf aus, denn «Ich hatte nur dies», so Thuner.

Seit 2020 ist Volleyball in seiner Prioritätenliste weit oben. Sein Weg zum NLA-Spieler ist aussergewöhnlich. Im Alter von gut 20 Jahren traf er in einer Bar in Mels eine Gruppe Grossgewachsener - es waren die Spieler von Volley Pizol. Sie sagten ihm, dass er als Zweimetermann unbedingt einmal in ein Training kommen müsse. Gesagt – getan. Und sofort roch er die Lunte. Mit 2.03 Meter und seiner Schnelligkeit war er der Prototyp eines Mitttelblockers. Er stieg mit seinem Team in die 2. Liga auf. Doch er wollte mehr und wechselte zu Chur in die 1. Liga.

Völlig unerwartete Chance
Auch im Bündnerland beeindruckte er mit auffälligen Leistungen. «Es ist mehr möglich für dich, du solltest weiter oben spielen», bekam er von Trainern und Teamkollegen zu hören. Doch dann kam Corona und die Sportwelt der Amateure stand still. Thuner fand einen Ausweg, konnte sich dem NTZ (nationales Trainingszentrum) in Jona unter der Leitung von Urs Winteler anschliessen. Obwohl er keine konkreten Volleyballpläne hatte, nahm er diesen Riesenaufwand auf sich und reiste fast täglich von Chur nach Jona. Doch diese Strapazen wurden für ihn zum Türöffner. Technisch noch mit Luft nach oben, aber körperlich und mental auf einem Spitzenlevel, landete der Rohdiamant im Sommer 2021 bei Näfels. «Ich musste keine Sekunde überlegen, als mir Teammanager Bedrac ein Angebot als dritten Mittelblocker machte. Ich habe nie gedacht, je die Chance zu haben, in der NLA zu spielen.»

Zur Frage, wie er den Wechsel vom Amateur- zum Elitesport erlebt habe, sagt der Sarganserländer: «Alles ist viel professioneller, die Inputs sehr konkret. Urs Winteler gab mir Tipps und Tricks, die mich weiterbrachten. Dasselbe bei Näfels. Ich wurde viel mehr gepusht.» So schaffte Thuner nur sechs Jahre nach seinem Volleyball-Debüt den grossen Sprung trotz fehlender Grundausbildung. «Ich lernte nie richtig passen oder annehmen, dies lernte ich erst im Verlauf der Zeit zusammen mit den Trainern», ergänzt er.

Seine Freude, in der NLA zu sein, ist riesig: «Mit meinem Alter von damals 27 Jahren mit Profis zusammenzuspielen, dem gleichen Team anzugehören wie Nati-Captain Ehrat und Ex-Nati Captain Gygli, nach Genf oder Lausanne zu reisen, waren wie ein Bonus – cool und herausragend.»

Grosse Emotionen
War Thuner letztes Jahr noch Notnagel, der selten zum Einsatz kam und beim damaligen Coach wenig Kredit genoss, ist es jetzt anders. Er hat sich etabliert, ist ein sicherer Wert. Dass er beim ersten Spiel der Saison gegen Schönenwerd in der Starting-6 stand und am Ende zum Best Player gekürt wurde, war für ihn genauso berührend wir das letzte Spiel der vergangenen Saison, als er anstelle des zurücktretenden Nati-Captain Samuel Ehrat im letzten Spiel eingewechselt wurde. «Dies berührte mich sehr, ja überforderte mich gar», gesteht er.

Thuner hat auf diese Saison einiges verändert. Statt Vollpensum arbeitet er jetzt 60%. I
m Sommer investierte er auf privater Basis viel in die Bereichen Fitness und Ernährung. Seit zwei Jahren ernährt er sich auch aus sportlichen Gründen vegetarisch: «Statt Cordon Bleu sind es jetzt würzige asiatische Gerichte.» Dazu gönnte er sich nach der letzten Saison eine Auszeit von vier Wochen, machte eine Ayurvedakur, um die Batterien wieder zu laden. Er erklärt: «Ich glaube, dass meine Entscheidungen richtig waren. Ich machte Fortschritte dank mehr Krafttraining und Regeneration. Diese und weitere Faktoren habe dazu beitragen, dass ich heute auf dem Spielfeld besser performen kann.»

Vertrauen als Kernpunkt
Auf dem Spielfeld fällt Thuner nicht nur mit seinen Leistungen auf, sondern auch mit der Energie, die er ausstrahlt. Anderen Menschen zu helfen und zu schenken seien für ihn wichtig. Er gebe gerne Energie ab und motiviere, wenn andere dies nötig hätten. Dabei helfen ihm seine kommunikativen Qualitäten und die Balance zwischen Explosivität und Ruhe. Vertrauen bekommen und schenken sind für ihn zentral.

Vertrauen, das ist auch das Stichwort zu einem persönlich sehr emotionalen Moment. Er erklärt: «Als vor drei Jahren das Kind meines Bruders zur Welt kam – es war das erste dieser Generation in unserer Familie - und ich das Vertrauen erhielt, Götti sein zu dürfen, berührte mich das sehr.» Auch bei seiner Ankunft im Glarnerland ist Vertrauen Thema: «Ich wurde als Auswärtiger im Glarnerland sehr gut aufgenommen, erhielt das Vertrauen.» Über seine Familie sagt er, es sei keine Sportfamilie, jedoch für seinen Ausgleich sehr wichtig sei. «Sie sind stolz und haben Freude, dass der Name Thuner in der Volleyballschweiz auftaucht und ich das Vertrauen erhalte.»

Zu seinen Zukunftsplänen sagt er: «Solange mein Körper mitmacht, möchte ich auf diesem Level weiterspielen, mich stetig steigern. Wenn man einmal dabei ist, macht es fast süchtig.» Und klar, Gianni, so nennen ihn seine Teamkollegen, möchte zu den Besten des Landes gehören.

Gian-Luca «Gianni» Thuner: Mittelblocker, 2.03 Meter gross, Schlaghöhe 350 cm

Energievoll: Gian-Luca ist auf dem Feld immer voller Energie und gibt diese gern auch seinen Teamkollegen ab.

Gross und schnell: Mit seinen Gardemassen und seiner Schnelligkeit bringt er für die Mitte-Position ideale Voraussetzungen mit – sicher ein zentraler Punkt, dass er im Alter von knapp 27 Jahren den Sprung in die NLA schaffte

Eindrücklich: Gian-Luca beim Blocken

Auf die Frage, was er gesagt hätte, wenn ihm jemand vor 5 Jahren prophezeit hätte, dass er im Oktober 2022 im Europacup spielen würde: «Unmöglich, wirklich unmöglich! Das wäre mir nicht mal im Traum in den Sinn gekommen»

Von Null auf Hundert: Eine Grundausbildung im Volleyball hat er nie genossen, doch zusammen mit seinen Trainern hat er sich in den letzten Jahren beim Passen und Annehmen stetig weiterentwickelt und wagt heute, auch einmal einen Service anzunehmen und einen Pass zu spielen

Tolle Fans: «Viele Leute kennen mich, kennen meine ungewöhnliche Historie und sind einfach interessiert am Volleyball und auch an mir. Emotional ist das extrem schön.»

Gewaltige Steigerung: Mittlerweile muss er sich nicht mehr hinter anderen NLA-Mittelblockern verstecken, entsprechend sind auch seine eigenen Erwartungen gestiegen. Er verrät, dass er gerne zu den besten zählen möchte

Emotionalster Moment in der bisherigen Saison: «Im Match gegen Schöni anfangs Oktober stand ich erstmals in der Starting-6 und am Ende wurde ich gar zum Best Player gewählt, obwohl viele Profis in unserem Team spielen. Das war für mich unglaublich emotional und schön.»

Viel Charakter: «Ich habe einen starken Willen, bin zielorientiert. Wenn ich etwas erreichen will, verfolge ich dieses Ziel bis in jede Ecke.»