Freitag, 7. Februar 2020; 23:00
NLA

Die Volleyball-Karriere von Ernest Plizga begann mit einem grossen Missverständnis

Von: Köbi Hefti

Der Pole Ernest Plizga ist seit dieser Saison Annahme- und Aussenspieler bei Biogas Volley Näfels. Er wechselte von Österreich in die Schweiz, weil er überzeugt ist, dass ihn sein heutiger Trainer Oskar Kaczmarczyk weiterbringen wird.


Auch wenn Ernest Plizgas Vorname eher auf einen Bezug zum deutschsprachigen Raum hindeutet, ist der 1.95 grosse Blondschopf mit dem imposanten Body ein waschechter Pole. Aufgewachsen ist er nahe der ukrainischen Grenze in Chełm zusammen mit zwei älteren Geschwistern.

Als Zehnjähriger begann er Volleyball zu spielen und dies auch nur wegen eines Missverständnisses, wie er erklärt: „Der Coach unserer Schule kam zu mir und sagte, dass ich ins Training kommen solle. Ich ging hin und meinte, dass ich zum Basketball gehe, doch dann wurde Volleyball gespielt. Mir gefiel das auf Anhieb sehr gut und so blieb ich dabei.“ Mit 16 Jahren zog er aus, um in Warschau einerseits in einem besseren Verein Volleyball spielen zu können und um seine schulische Laufbahn zu starten, welche er im letzten Sommer mit dem Master als Sportlehrer abschloss.

Und plötzlich ist sein Bruder ganz nahe
Seinen ersten Besuch in Näfels kurz vor Weihnachten 2017 hat er noch bestens im Kopf. Er traf mit Waldviertel im CEV Challenge Cup auf Biogas Volley Näfels. Er erinnert sich sehr gut an die erste Begegnung mit der Lintharena. Beim Training sei fast jeder Ball an der Decke gelandet, da die Halle derart niedrig war, erzählt er schmunzelnd. Dass er heute in Näfels spielt, hat mit diesem Spiel aber nichts zu tun. Der Grund trägt zwei Namen: Oskar Kaczmarczyk und Bruder Sławek, der seit zehn Jahren in Bern wohnt, wo er Musik studierte. Heute ist Sławek Plizga Profimusiker und hauptsächlich als Jazz-Gitarrist bekannt. Über seinen aktuellen Coach Kaczmarczyk sagt er: „Er ist eine grosse Nummer in Polen, arbeitete mit den besten Spielern zusammen. Ich erhoffe mir, dass ich mit ihm als Trainer Fortschritte machen und mich weiterentwickeln kann.“ Zur Schweizer Liga sagt er, dass es ihn überrascht hätte, wie ausgeglichen und stark diese im Vergleich zu jener Österreichs sei, wo es nur wenige Topteams gebe.

Der Traum vom Leben als DJ
Andere Sportarten als Volleyball betreibt er derzeit kaum. Im Sommer geht er jedoch gerne auf eine Mountainbike-Tour mit Musik in den Ohren und spielt auch mal Beachvolleyball. Gerne würde er auch snowboarden. Diesen Sport entdeckte er einmal in einem zweiwöchigen Winterlager und hatte riesigen Spass daran. Doch als Volleyball-Profi ist ihm dies zu gefährlich, weshalb er momentan darauf verzichtet.

Als Hobby erwähnt er Musik und das Sammeln von Schallplatten. Gerne würde er später ein richtig guter DJ werden. Er möchte dieses Handwerk erlernen, damit er irgendeinmal für gute Stimmung an einer Beach-Party sorgen kann. Eine weitere Leidenschaft von Ernest Plizga ist Kaffee. Er zerkleinert die Bohnen selber von Hand im Mörser und geniesst dann den starken Espresso in vollen Zügen. „Dies gehört zu meinem Ritual nach dem Mittagessen. Zuerst mache ich ein Nickerchen und dann gibt es den Kaffee“, erzählt er. Das Lesen von Biografien, das Schauen von leichten Serien nach dem Training und auch manchmal ein Computergame gehören ebenso zu seinem Alltag, immer mit dem Zweck, nach dem harten Training abzuspannen.

Wie eine Playstation
Zeit um die für ihn derart begeisternde Bergwelt im Glarnerland zu entdecken, hat er nur dann, wenn kein Training und Spiel ist. Eine Erkundungstour hat ihn besonders beindruckt. Er erzählt: „Ich war keine Woche hier, als uns der Trainer ein Besuch des Obersees empfahl. Die Strasse war jedoch so eng und das Kreuzen ungemein schwierig – wir schwitzten Blut. Doch dieses Opfer lohnte sich, denn dort oben ist es wunderbar.“ Überhaupt ist er von der Bergwelt und den Seen hier begeistert. „Das ist so schön und unfassbar, mir kommt das vor wie die virtual Reality einer Playstation“, schwärmt er. Auch der Aufstieg zum Wasserschloss Löntsch mit der wunderbaren Aussicht ins Tal sowie der Bau des Löntschwerks vor über hundert Jahren ohne grosse Hilfsmittel brachten ihn zum Staunen.

Ehrlichkeit ist für ihn der wichtigste Wert. Unehrlichkeit könne ihn entsprechend wütend machen, sagt er und ergänzt: „Ich bin der ruhige Typ. Wenn ich aber einmal erzürnt bin, versuche ich dies möglichst schnell zu ändern und meinen Ärger in ein Lächeln umzuwandeln. Es ist mir sehr wichtig in einer positiven und fröhlichen Umgebung zu sein.“ Eine weitere Eigenschaft Plizgas ist seine Ordentlichkeit, sei dies daheim oder auch bei seinen langen blonden Haaren. Auf seine Haarpracht ist er stolz. Sie darf ihn jedoch während des Trainings und Spiels auf keinen Fall stören. Entsprechend greift er sich immer wieder einmal in die Haare um diese im Haarband zu verstauen.

Lecker - lecker
Auf die Frage, was er hier besonders mag, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Käse, Fondue, Schweizer Schokolade.“ Und dann ergänzt er in bestem Deutsch: „Lecker – lecker.“ Wie schon in Österreich gefällt es ihm, dass die Leute gut organisiert und zuverlässig sind. Überrascht hat ihn auch, dass viele Menschen zumindest etwas Englisch sprechen. „Obwohl ich etwas Deutsch kann, macht dies das Leben hier viel komfortabler“, lobt er die Leute hierzulande.

Auf die obligate Frage nach dem für ihn eindrücklichsten aktiven Sportler antwortet er: „Ich mag und verfolge Basketball ein wenig und deshalb ist für mich James LeBron  der beste Sportler. Er beeindruckt mich mit seiner Passion, mit der er spielt und als Leader auftritt wie auch mit der Achtsamkeit gegenüber seines Körpers, welchen er mit seinem Fitnesstrainer, der 24 Stunden und 365 Tage im Jahr für ihn da ist, in Form hält.“

Könnte er einmal einen Tag mit einer Persönlichkeit verbringen, so würde er dies gerne mit Natalie Portman tun, die israelisch-US-amerikanischen Schauspielerin, Regisseurin, Filmproduzentin und Oskar-Preisträgerin. Auf die Frage, wie das Programm aussehen würde, antwortet Ernest Plizga: „Ich würde mit ihr in die Berge gehen, fein Essen, mit ihr plaudern und den Tag geniessen.“ 



Qualifikation: 16. Spieltag

Volley Schönenwerd - Biogas Volley Näfels

Betoncoupe Arena, Schönenwerd, Samstag, 8. Februar 2020, 17:30 h

Ernest Plizga: 26-jährig, 1.95 m gross, Annahme-/Aussenspieler aus Polen

Entscheidend: Dass sich Ernest trotz anderer Angebote für Näfels entschied, liegt am neuen Näfelser Trainer Oskar Kaczmarczyk. Er ist überzeugt, dass er dank des Trainers einen weiteren Entwicklungsschritt machen kann

Sehr wichtig: Ein positives Umfeld ist für Ernest Plizga sehr bedeutungsvoll. Auch wenn er sich einmal ärgert, versucht er sein Lächeln so schnell wie möglich wieder zu finden

Imposanter Body: Als Personal Trainer ist er ein Vorbild hinsichtlich Muskelmasse

Geduldig: Ernest Plizga brauchte ziemlich lange bis er bei Näfels regelmässig zum Einsatz kam, doch mit der richtigen Einstellung und seinem unbändigen Fleiss war es nur ein Frage der Zeit, bis er regelmässig in der Starting-Six stand

Defensive Stärke: Der grundsolide Pole überzeugt in der Defensive

Unverkennbar: Ernest hat eine ganz besondere Art anzugreifen

Grösste Freude: Auf dem Feld zu sein und Erfolg zu haben sind für Ernest Plizga das Schönste

Alles in Ordnung: Der Blondschof ist ein ordentlicher Mensch - auch seine Haare müssen sitzen, damit sie im Wettkampf niemals stören

Bruder: Sławek Plizga lebt seit 10 Jahren in Bern. Er studierte dort Musik. Heute ist er Profi-Musiker