Montag, 15. November 2021; 07:00
NLA

Dem klaren Leader die Stirn geboten

Von: Köbi Hefti

Biogas Volley Näfels schrammt knapp an der ganz grossen Überraschung gegen Volley Amriswil vorbei und verliert nach einer 2:0 Führung das tolle Ostschweizer-Derby 2:3 (25:23, 25:21, 22:25, 20:25, 13:15).


Das Spiel zwischen Näfels und Amriswil war attraktiv, hochspannend, dramatisch und beste Volleyball-Werbung. Klar, ein Sieg gegen den Liga-Krösus wäre toll gewesen, aber nach dem Spiel war kaum jemand völlig unzufrieden. Teammanager Ivan Bedrac meinte: «Es war eine enge Kiste. Es wäre mehr möglich gewesen. Der verlorene dritte Satz wurmt mich etwas.» Überrascht, dass sein Team dem unangefochtenen Leader einen Punkt abknöpfte, war er nicht, denn er wisse, wie gut seine Mannschaft spielen könne.

Näfels spielte mit
Gygli am Pass, Strugar als Diagonal, Goldrin und Zvicer als Aussenangreifer, Nikolov und Ehrat in der Mitte und Küng als Libero. Die Vaclavik-Truppe startete voller Energie und Feuer ins Spiel. Nach einer Service-Serie von Gygli lag Näfels erstmals klar in Führung (13:9). Danach konnte Näfels machen was es wollte, fast alles gelang wunschgemäss. Davon überrascht fand Amriswil sein Spiel nicht. Nachdem Näfels mit einem klaren 22:16 Vorsprung auf die Zielgerade einbogen war, kam es aber ins Straucheln. Amriswil dominierte die Schlussphase und verkürzte auf 23:22. Ein Servicefehler der Gäste brachte Näfels zwei Satzbälle. Den zweiten nutzte Zvicer mit einem seiner insgesamt fünf direkten Blockpunkte zum 25:23.

Sackstark
Der zweite Satz verlief von A-Z sehr ausgeglichen. Immer wieder war Gleichstand, kein Team konnte sich mehr als zwei Punkte Vorsprung erspielen. Als Näfels‘ Spiel zur Satzmitte ins Stocken kam und 11:13 ins Hintertreffen geriet, nahm Coach Vaclavik ein Time-out. Danach waren die Glarner nicht wiederzuerkennen. Mit perfektem Side-out und starken Services übernahmen sie die Führung. Goldrin und Strugar waren dabei die herausragenden Punktesammler in einem auf allen Ebenen überzeugenden Ensemble, das von Passeur Gygli ausgezeichnet orchestriert wurde. Ehrat beendete das Werk mit einem gefühlvollen Ball zum 25:22, nachdem Näfels Best Player Nikolov erneut Amriswils Annahme mit seinem Service durcheinanderwirbelte. Coach Vaclavik zeigte sich zufrieden: «Die ersten zwei Sätze waren wirklich gut. Die Amriswiler verloren bisher in sechs Spielen zwei Sätze und wir gehen gegen sie 2:0 in Führung. Ja, wir spielten stark, drückten und machten das, was wir uns vorgenommen hatten.»

Ärger mit Finten
Auch im dritten Umgang blieb es eng und spannend. Doch Amriswil hatte jetzt seinen Rhythmus gefunden, punktete im Angriff deutlich häufiger als die Platzherren (17:9), machten aber viel mehr Fehler als Näfels (9:4). Diese Geschenke brachten Näfels eine 11:8 Führung ein. Dann aber schafften die Gäste die Wende. Amriswils Coach Serramalera nennt den Grund dafür: «Wir nahmen einige Anpassungen bei Block/Defense gegen die starken Angreifer vor und fanden so zu unserem Spiel.» Auf dem Feld sah es dann so aus, dass viele Näfelser Angriffe eine Beute der Amriswiler Verteidigung wurden. Näfels‘ Defensive dagegen wurde nun öfters düpiert. Captain Ehrat dazu: «Mit vielen Finten und hohen Bällen, die von unserer Defense einfach besser gelesen werden müssen, liessen wir Amriswil ins Spiel kommen. Wenn ein oder zwei Bälle mal reinfallen ist das okay, aber nicht so wie im dritten Satz.» Diese nervigen Punkte hätten sich dann auch negativ auf das ganze Spiel ausgewirkt - auch beim Service und in der  Annahme, so Ehrat weiter. Bis zum 17:17 machte sich dies auf der Resultattafel kaum  bemerkbar. Erst danach gelang es den Thurgauern sich den entscheidenden Vorsprung zu erspielen und sich mit 25:22 durchzusetzen.

Im vierten Satz dominierten die Gäste das Spiel. Nach dem frühen 5:10 Rückstand flachte bei Näfels das bisher so überzeugende, kraftvolle Spiel ab. Die Services verloren den Druck und  die bis anhin meist stabile Annahme rund um den überzeugenden Libero Küng wurde von Amriswils starken Services ins Wanken gebracht. Amriswil holte den Satz mit 25:20 und glich zum 2:2 aus.

Perfekt – aber nicht ganz am Ende
Im Tie-Break waren die Näfelser wieder bereit. Der ausgeglichene Kampf um den Sieg war spannend und begeisternd. Lag ein Team in Führung, glich das andere sofort wieder aus. Nur am Schluss gelang dies Näfels nicht. Zuerst kassierte es beim Stand von 13:13 einen Block, verspielte sich so einen Matchball, dafür gab’s Matchball für Amriswil. Und auch bei diesem entscheidenden Ball klappte das Näfelser Side-out nicht – der Smash landete im Out und somit war der Sieg weg – 15:13 für Amriswil. Trainer Vaclavik wirkte gleichermassen enttäuscht und zufrieden. Er erklärt, weshalb der Sieg verpasst wurde: «Am Ende fehlte uns etwas die Qualität. Kampf und Energie waren da, aber es wäre etwas mehr Volleyball nötig gewesen.»



Matchtelegramm:


Biogas Volley Näfels – LINDAREN Volley Amriswil: 2:3 (25:23, 25:21, 22:25, 20:25, 13:15)

Kanti, Glarus. – 200 Zuschauer. – Spieldauer: 117 Minuten.

SR: Wolf, Kälin


Biogas Volley Näfels:
Startformation: Gygli (Passeur, 2 Punkte), Ehrat (Captain, 8), Küng (Libero), Zvicer (15), Goldrin (15), Strugar (19), Nikolov (12)
Einwechslungen:  Aebli (Passeur), Süess (1), Thuner, Lienhard (1)

Headcoach: Honza Vaclavik
Assistant Coach: Manuel Stadtmann, Filip Brzeziński


LINDAREN Volley Amriswil:
Startformation: Filippov (Passeur, 1), Mrdak (Captain, 22), Diem (Libero), Zeller (6), von Burg (7), Sosa(16), Imhoff (14)
Einwechslungen: Weber, Höhne (11), Weisigk (1)

Headcoach: Juan Manuel Serramalera
Assistant Coach: Christopher Voth

Mister Service: Risto Nikolov stellte mit seinen perfiden Services Amriswil Annahme auf eine harte Probe

Flugeinlage: Libero Lorenz Küng rettet diesen Ball in Extremis

Gutes Auge: Die Linien wurden in diesem Match immer wieder gesucht, aber nicht immer gefunden. Die Defensive hatte aber meist ein gutes Gespür wie bei diesem Ball, der die Linie um Zentmeter verfehlt

Schlauer Fuchs: Passeur Gygli bekommt völlig unerwartet ein Zuspiel, setzt sich mit einem Block-out aber gegen 2.02 Meter grossen Imhoff clever durch

Freude herrscht: Lorenz Küng greift sich an den Kopf, wohl weil er Passeur Marco Gygli den Ball auf dem vorherigen Bild zuspielte. Doch Gygli und Ehrat ist’s egal, Hauptsache Punkt gewonnen…

Viel Arbeit: Honza Vaclavik musste einige Male mit Time-outs reagieren um sein Team wieder zu justieren

Mit Punch und Cleverness: Ilya Goldrin und seine beiden Angriffskollegen Bojan Strugar und Ivan Zvicer hatten es ab dem dritten Satz immer schwieriger um Amriswils Block auszuspielen - das blinde Draufhalten reichte nicht mehr

Wechselbad: So wie Ivan Zvicer erging es dem ganzen Team – mal Enttäuschung, dann wieder grosse Freude. Bei Zvico lagen nur Sekunden zwischen seinem Frust und Jubel

Best Player: Risto Nikolov überzeugte am Block, beim Service und im Angriff – er war der effizienteste Angreifer der Näfelser, fast gleich gut wie Imhof, der argentinische Mittelangreifer und Best Player Amriswils

Berechtigter Jubel: Nicht nur die Spieler, auch die Bank war on Fire und feierte die sehenswerten und wichtigen Punkte ebenso emotional wie ihr Team