Donnerstag, 9. April 2020; 07:19
NLA

Abenteuerliche Reise-Geschichten der Näfelser Volleyballer

Von: Köbi Hefti

Nach dem Abbruch der Volleyballsaison konnten Näfels Volleyballer ihre Siebensachen packen. Die meisten Ausländer sind mittlerweile daheim, teilweise nach unglaublichen Reisen, andere warten immer noch auf eine Rückkehr.


Es war am Freitag, dem 13. März, als der Verband die Volleyballsaison definitiv absagte. Noch am gleichen Tag informierte Präsident Martin Landolt seine Mannschaft über den Saisonabbruch. Die Spieler waren ab sofort frei und konnten unmittelbar darauf ihr Heimkehr planen, ohne dabei jedoch auf den vertraglich vereinbarten Lohn bis Ende April verzichten zu müssen. Der letztjährige Captain Niki Papangelopoulos lobt das Verhalten des Vereins in höchsten Tönen und sagte: „Ich bedanke mich bei der Vereinsleitung, welche die aktuelle Situation vollkommen verstanden hatte. Sie hat höchst professionell und auf sehr menschlichem Niveau gehandelt, kein Vergleich zu anderen Klubs, welche ihre Spieler nur bis Ende Februar bezahlten.“


Am Abschleppseil nach Hause
Nach diesem Freipass begannen die Ausländer sofort zu schalten und walten. Der erste, der reagierte, war der Jüngste - Gabriel Dimitrov. Er tauchte am selben Tag spätabends ziemlich nervös bei Teammanager Ruedi Gygli auf. Er wollte gleich früh am Samstagmorgen zurückfliegen. Doch trotz bester Unterstützung des ehemaligen Reiseexperten Marco Gygli gab es keinen einzigen freien Platz mehr auf irgendeinem Flug zurück in seine Heimat Bulgarien. Erst am Montag hätte es einen Flug gegeben. Doch der Junge Italo-Bulgare wollte nicht warten und rief seinen Vater daheim an, sagte ihm, dass er ihn mit dem Auto hier in Näfels abholen solle. Was Sohn sagte, setzte Vater sofort um. Zehn Minuten nach dem Anruf sass der Vater bereits im Auto in Richtung Näfels. 23 Stunden später traf er im Glarnerland ein. Nach einer kurzen Nacht ging es am frühen Sonntagmorgen zurück Richtung bulgarischer Heimat nahe der rumänischen Grenze. 1700 lange Kilometer warteten auf die beiden, nicht ganz ohne Widerwärtigkeiten. „Die Reise war sehr schön, zumindest die erste Hälfte. An den Grenzen gab es aber immer wieder Kontrollen wegen des Virus mit Fiebermessen“, sagte Gabriel Dimitrov dazu. Die verrückte Geschichte begann dann erst im letzten Teil der Rückreise. Er erzählt: „Inmitten von Rumänien ging das Auto kaputt. Bis zur bulgarischen Grenze wurden wir dann von einem anderen Auto abgeschleppt. So brauchten wir sechs Stunden länger und waren nach 29 Stunden endlich, müde aber wohlauf, daheim.“ Wie fast in allen europäischen Ländern ist auch in Bulgarien „Bleib daheim“ das Motto. Daran hält sich Dimitrov. „Ich bin im Haus bei meiner Familie. Hier ist niemand draussen ausser zum Einkaufen“, schildert er die Lage und ergänzt lachend: „Und ich mache fast nichts anderes als mit meiner Play Station zu spielen.“

Eingesperrt im Schlafzimmer
Taavi Nõmmistu war der nächste, der heimreiste. Seinen Rückflug plante er auf Montag. Nachdem aber bekannt wurde, dass alle, die ab Montag in Estland einreisen würden in die Quarantäne müssen, buchte er sofort um und düste am Sonntag zu seinem Sohn und seiner Partnerin zurück.

Auch für die zahlreichen Polen galt vorerst Abwarten und Tee trinken, weil ihr Heimatland die Grenzen sehr schnell dicht gemacht hatte. Sie nahmen deshalb mit der Botschaft Kontakt auf. Und diese hatte eine Lösung, organisierte einen Rückflug für ihre Landsleute. Trainer Oskar Kaczmarczyk, sein Co-Trainer Filip Brzeziński und Michał Godlewski konnten so nach einer Woche Wartezeit heimkehren, wo sie sich aber direkt in eine 14-tägige Selbstquarantäne begeben mussten. Der quirlige Oskar Kaczmarczyk meinte dazu: „Ich war zwei Wochen im Schlafzimmer eingesperrt und verliess dieses "Gefängnis" nur um auf die Toilette zu gehen. Ich war total gelangweilt. Während des ersten Teils der Quarantäne habe ich nur gelesen, Filme geschaut oder auf der Playstation gespielt.“ Danach habe er die Motivation wieder gefunden, schildert er und ergänzt: „Es gibt viele Optionen wie Webinare, um das Wissen über Volleyball, Management etc. zu verbessern. Dazu schaute ich Spiele der NLA, welche ich bisher nicht sah um die Tendenzen der Liga besser verstehen zu können
.“

Vom Volleyballer zum Gärtner
Ernest Plizga und Damian Hudzik dagegen fuhren mit dem Auto heim, nachdem Ernest Plizga kurze Zeit vorher für einen sehr guten Preis über seinen in Bern lebenden Bruder ein Auto kaufen konnte. Dafür erhielt er einen Tagesausweis für eine kurzzeitige Inverkehrsetzung nicht immatrikulierter Fahrzeuge. Die Fahrt via Deutschland mit dem Endziel Chełm verlief problemlos, nachdem die Einreise nach Polen bedingt wieder ermöglicht wurde. Damit blieb den beiden vor der polnischen Grenze eine Kolonne von mehr als fünfzig Kilometern wie noch wenige Tage zuvor erspart, doch auch sie mussten lange warten, ehe sie ins Heimatland einreisen durften. Nachdem er Damian Hudzik absetzte, kam auch Ernest Plizga nach 1600 Kilometern und 16 Stunden am Ziel an, wo der Blondschopf ganz allein im Haus einer Tante zwei Wochen hausen musste. Aus seinem Quarantänerevier meldet er sich und erzählt: „Für mich ist es jetzt am schwierigsten, dass ich mich nicht mit meiner Familie und meinen Freunden treffen kann, weil dies verboten ist. Ich zähle die Tage, bis die Quarantäne vorüber ist. Ich möchte endlich Zeit und Osterferien mit meinen Eltern verbringen – dies ist derzeit mein Ziel Nummer eins.“ Er sieht in der Zeit der Isolation auch Chancen und erklärt: „Es ist die perfekte Zeit um Gartenarbeiten zu machen, alte Dinge zu renovieren oder Servicearbeiten am Mountainbike oder Auto durchzuführen.“

Sehnsucht nach griechischem Strand
Weiterhin in der Schweiz sind die beiden Griechen. Thanos Maroulis, der mit dem eigenen Auto hier ist, versuchte vergeblich eine Lösung um heimzukehren. Über den Balkan wollte und konnte er nicht reisen wegen der Corona-Auflagen dieser Staaten. Und die Gesellschaft, welche gemäss Auskunft der Botschaft eine Fähre von Italien nach Patras auf dem Peleponnes betreibt, wusste selber nichts davon. So warten sowohl Niki Papangelopoulos wie auch Thanos Maroulis weiterhin auf Ihre Rückkehr. Besonders schwierig ist dies wegen des silbernen Tigers, so nennt Maroulis sein Auto, welches nicht hier bleiben kann und nach Griechenland zurückgeführt werden muss. Doch wann dies wieder möglich ist, steht wie derzeit fast alles in den Sternen. „Wir sind hier irgendwie gefangen, aber wir fühlen keinen Druck, sind nicht traurig. Egal wie schlimm die Dinge sind, es gibt immer eine gute Seite“, meint Niki Papangelopoulos zur derzeitigen Situation. Krafttraining daheim, Fahrradfahren, Fussballspielen, spazieren, Kochen, Haushalten, Filme schauen gehören jetzt zum Alltag.

Doch es existiert auch die melancholische Seite wie Papangelopoulos erwähnt: „
Es gibt einige Momente, in denen wir Heimweh haben und wir unsere Familien und Freunde vermissen, aber wir wissen, dass wir sie früher oder später wieder sehen und mit ihnen an einem griechischen Strand unter der heissen griechischen Sommersonne zusammen sein können. Doch bis dahin gilt für alle: Nicht rosten. Schützen sie sich alle, seien sie kreativ und genießen Sie die Zeit mit Familie und Freunden.“

Gespenstisch: Die Einreise ins Heimatland für Ernest Plizga und Damian Hudzik

Endlich frei und wieder glücklich: Seit dieser Woche ist Ernest Plizga wieder ein freier Mann, nachdem er während zwei Wochen sich Selbst-Quarantäne isolieren

Walensee statt Ägäis: Die beiden Griechen sind noch hier uns warten, bis sie heimkehren können

On Tour: Marco mit Niki und Thanos

Meisterkoch: Thanos mit neuem Ziel

Oskar Kaczmarczyk: Es gibt tausende kleiner Gedanken in meinem Kopf, aber ich konzentriere mich nur darauf, sicher zu bleiben und alle Anweisungen zu befolgen, was ich individuell tun soll, um bei dieser Pandemie zu helfen. Der Saisonabbruch überraschte mich wie alle anderen auch. Diese Pandemie ist ein zu großes Problem, um über Sport oder unsere individuellen Ziele und Erwartungen nachzudenken. Sport ist nur eine Unterhaltung, es ist keine grundlegende Sache, die wir brauchen. Jetzt vermissen wir die zweite Ebene der Maslowschen Bedürfnispyramide: Wir sind jetzt nicht sicher

Niki Papangelopoulos: Niemand konnte damit rechnen, dass wir - weil jemand in China eine Fledermaus ass - nicht mehr in der Lage sein würden, Sportwettkämpfe auszutragen, dass Menschen ihren Job verlieren und noch viel schlimmer, dass Menschen sterben.