Dienstag, 15. Mai 2018; 10:44
NLA

News von Tanja und Marco Gygli aus Dubai

Von: Paul Hösli (SO)

Jahrelang war Marco Gygli Profi bei Volley Näfels. Ende September letzten Jahres haben er und seine Frau Tanja ein Abenteuer und eine neue Herausforderung gesucht und ihre Sachen gepackt. Von einem Leben zwischen Wüste, Science-Fiction und Alkoholverbot.


Wenn Marco Gygli früher aus dem Fenster geschaut hat, dann hat er die Glarner Bergwelt gesehen. Wenn er es heute tut, «dann fühle ich mich wie in einem Film von ‘Star Wars’. In der Wüste mit der Skyline einer Grossstadt im Hintergrund.» Der 30-Jährige ist nicht auf einem fernen Planeten gelandet, jedoch in einer komplett anderen Welt angekommen. Seit Anfang Jahr wohnt und arbeitet er zusammen mit seiner Ehefrau Tanja bei The Sustainable City (Nachhaltigkeitsstadt) in der Wüste vor den Toren der Millionenmetropole Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Diese Kleinstadt hat sich voll und ganz dem Prinzip der Nachhaltigkeit verschrieben und gilt in der arabischen Welt als einzigartiges Vorzeigeprojekt.

Als Tanja und er, sie hat früher bereits in der Hauptstadt der Emirate Abu Dhabi gewohnt, Ende September die Koffer packten und zu einem neuen Abenteuer aufbrachen, hatten sie noch keine Ahnung, was sie zwei Monate später erwarten würde. «Wir haben etwas Spezielles gesucht, ansonsten wären wir nach Frankreich oder England gegangen. In Dubai war ich schon in den Ferien und es hat mir gefallen.» Dass es gleich so komplett anders werden würde, hätten sie kaum gedacht. Denn gelandet sind sie in einer Stadt, die ihresgleichen sucht. Ein Ort mit rund 2700 Einwohnern, der sich ausschliesslich selber mit Energie versorgt und alles recycelt. «Wir haben keine Nebenkosten hier, zahlen keine Steuern. Der Lohn wandert praktisch eins zu eins aufs Konto», erzählt Gygli.

Mit Kappe zum Vorstellungsgespräch
Nur einen Tag, bevor ihr Visum abgelaufen wäre, wurde Tanja dank guten Verbindungen zu einem Vorstellungsgespräch in The Sustainable City eingeladen. Marco Gygli wartete im Auto auf seine «Pretty Woman». «Plötzlich klingelte das Telefon, Tanja sagte mir, ich solle hochkommen und dass der CEO mich kennenlernen wolle. Ich war gekleidet wie ein Tourist, mit Kappe und kurzer Hose. Kurzum, alles andere als ideal für ein Vorstellungsgespräch», berichtet er belustigt über Skype.
Bekommen hat der Näfelser den Job als Sports Koordinator dennoch, wie Tanja jenen als Event Koordinatorin. Am nächsten Tag reisten sie zurück in die Schweiz, um Anfang Januar wieder nach Dubai zu fliegen, diesmal nicht mehr als «The Tourist». «Um 10 Uhr landeten wir, um 12 hatte ich bereits mein erstes Meeting. Ich wurde ins eiskalte Wasser geworfen», so Gygli.

Es ist keine Sekte
Rund fünf Monate sind seither vergangen und die Gyglis haben sich in Dubai mittlerweile akklimatisiert, obwohl das bei Temperaturen von über 40 Grad nicht einfach sei. Der ehemalige Spitzensportler ist zuständig für die Koordination von sportlichen Anlässen und das Management der Sportanlagen wie die Fussball-, Tennisplätze, Fitnessräume oder Schwimmbäder mit deren Angestellten. «Ich habe völlig freie Hand und bereits ein Fussballturnier für Frauen oder einen Volkslauf organisiert, an dem über 50 Leute teilgenommen haben. Kein schlechter Schnitt bei 2700 Einwohnern.»
Diese sind grösstenteils Expats, also Leute, die in Dubai in der Finanzwelt oder als Piloten arbeiten. Skandinavier, Briten oder auch Jordanier. Einheimische hat es so gut wie keine.
Die Stadt erinnert auf den ersten Blick ein wenig an den Film «Truman Show». Jedes Haus sieht gleich aus, es herrscht eine harmonische Stimmung, die Gemeinschaft funktioniert zusammen. «Nein, es ist keine Sekte», sagt Marco Gygli und lacht laut. «Es ist vielmehr wie ein Ferienresort für Familien, es hat praktisch nur solche hier.»

Fussball ist Trumpf
Als ehemaliger Volleyballprofi liegt ihm dieser Sport am Herzen, «aber dadurch, dass es hier so viele Briten hat, ist Fussball Trumpf. Gegen acht Uhr abends versammeln wir uns jeweils zum Spielen.» Früher geht nicht, da ist es viel zu heiss. «Seit Mitte April wird es immer heisser, da geht unter Tag nichts, und es wird noch heisser. Im Sommer werden einige sportliche Anlässe erst nach 23 Uhr stattfinden», erklärt Marco Gygli.
Während der Fussball-Weltmeisterschaften wollen Tanja und er auf der Plaza, dem Zentrum der Stadt, ein Public Viewing anbieten. «Ich hoffe, dass viele Engländer kommen, auch wenn man hier keinen Alkohol trinken darf.» Denn in dem arabischen Land herrscht striktes Alkoholverbot, die Gefahr eines «Hangover» oder Probleme mit «Hooligans» eher klein. «Obwohl, es gibt schon Möglichkeiten an Alkohol zu kommen, dazu wird aber eine Lizenz benötigt», sagt der ehemalige Nationalspieler im Volleyball. Näher darauf eingehen will er aber nicht und lächelt dabei. Aber dies vermisse er schon ein wenig, mit Kollegen am Abend draussen grillieren und ein Bierchen trinken.

Für ein Fazit ist es noch zu früh
Ansonsten zeigt sich Marco Gygli von seinem neuen Zuhause begeistert. «Es gefällt uns hier, auch wenn ich mich zuvor mit der Nachhaltigkeit kaum auseinandergesetzt habe. Als wir das Thema während meines Tourismus-Studiums in der Schule durchnahmen, hat es mich sogar gelangweilt. Oft war es zu kompliziert.» Mittlerweile versteht und lebt er es. Und bald kann er seinen Lieblingssport wieder ausüben. «Im September wird eine Schule mit einer Turnhalle gebaut, dann werde ich Volleyball ins Programm aufnehmen.» Bis dann sind es neben Fussball oder Laufen auch Tanzen und Yoga.

In Kürze, voraussichtlich am 17. Mai, wird in The Sustainable City zwar nicht «Das grosse Schweigen» herrschen, das Leben aber um einiges ruhiger werden. Der Ramadan beginnt. «Ich habe mir vorgenommen, diesen auszuprobieren, einen oder zwei Tage», so Marco Gygli. Die Leute würden in dieser Zeit auf Sparflamme leben, die Arbeitszeit wird von 8,5 auf 6 Stunden reduziert, es darf im Büro weder getrunken noch gegessen werden. Zeit für ihn und seine Frau Tanja, an einem neuen Projekt zu arbeiten. «Wir wollen etwas Ähnliches wie die Markthalle in Glarus aufbauen.»

Die Arbeit geht den beiden nicht aus, und obwohl es für ein Fazit noch zu früh sei, «zuerst wollen wir den Sommer abwarten», zeichnet sich für die beiden Glarner in ihrem ganz eigenen Film in der fremden Welt ein Happy End ab.


Das ist The Sustainable City – die Nachhaltigkeitsstadt in Dubai
In der Stadt wohnen auf nur 46 Hektaren rund 2700 Menschen. Grösstenteils Europäer, die nach den 17 Nachhaltigkeitsprinzipien leben. Sie gilt als die erste Net-Zero-Energy-Development-Stadt im Emirat Dubai. Frei übersetzt: Null- Energie-Stadt. Die Leute wohnen in 500 mehr oder weniger identischen Häusern und 89 Appartements. Auf sämtlichen Häusern hat es Solarpanels, das Haus versorgt sich dadurch selber mit Energie. Und: Die Panels spenden auch Schatten. Denn in den Vereinigten Arabischen Emiraten beträgt die Temperatur im Sommer weit über 40 Grad. Die Stadt gilt in der arabischen Welt als Vorzeigeprojekt, alles wird recycelt, und die Abfälle werden getrennt. Wie etwa die Finnenbahn, die aus altem Gummi hergestellt wurde. «Die Abfalltrennung ist für uns keine grosse Sache, es ist wie in der Schweiz», berichtet Marco Gygli. Für die arabische Welt aber beinahe schon ein Quantensprung. Motorisierte Vehikel sind in der Stadt verboten, die Autos müssen draussen bleiben. Lediglich elektrisch betriebene Golfwagen sind zugelassen. Das Wasser wird ebenfalls recycelt und mehrmals verwendet. Auch für die elf natürlichen Biodome (Gewächshäuser), Halbkugeln, in denen etwa Gemüse angebaut wird. «Jeder Einwohner hat pro Monat acht Pflanzen zugute, wie zum Beispiel Basilikum oder Thymian», erklärt Gygli. Das Zentrum der Stadt ist die Plaza, wo das Leben pulsiert. «Dort befinden sich unter anderem ein Supermarkt und verschiedene Restaurants. Nur der Italiener fehlt noch, dafür gibt es bald ein Steakhouse. Darauf freue ich mich.

Infos unter www.thesustainablecity.ae

Neue Heimat: Marco Gygli und seine Frau Tanja (rechts) geniessen das Leben in Dubai.

The Sustainable City